Personalisierung im E-Commerce – vom Wandel der Sichtweisen

Vor Jahrzehnten, als es noch keinen Onlinehandel gab, war Personalisierung ein Fremdwort. Selbst in den Anfängen des E-Commerce versuchten Händler, ihren Willen á la Schaufensterdekoration auf ihre Kunden zu übertragen. Mittlerweile haben wir einen Wendepunkt erreicht. Vor allem durch die fortgeschrittene Technologie sind wir inzwischen in der Lage, den Kunden zu verstehen und zu kennen. Personalisierung ist heute nicht mehr aus dem E-Commerce wegzudenken. Warum sie wichtig ist und was alles damit möglich wird, soll hier beleuchtet werden.
“Die Leute sagen dir, wer sie sind, aber wir ignorieren es. Denn wir möchten, dass sie so sind, wie wir sie uns vorstellen.” Don Draper aus Mad Men
So war es noch zu Beginn der E-Commerce Ära. Wir dachten, Offlinekonzepte lassen sich 1:1 online übertragen. Doch inzwischen weiß die Branche, dass es so nicht funktioniert. Das Thema Personalisierung ist in den letzten Jahren immer bedeutender geworden und kaum ein Onlineshop verzichtet mehr darauf. Allerdings werden die technologischen Möglichkeiten bei weitem immer noch nicht ausgeschöpft.
Doch was genau ist eigentlich Personalisierung?
Im Grunde bedeutet Personalisierung die Bereitstellung von Inhalten, die auf jeden Kunden individuell zugeschnitten sind und zwar an jedem Punkt der Customer Journey. Oder anders gesagt: die richtigen Inhalte für die richtige Person zu jedem Zeitpunkt an jedem Ort. Gewisse Prozesse oder Interaktionen mit dem Kunden sind sicherlich personalisierter als andere und nicht an jedem Berührungspunkt muss personalisiert werden, um erfolgreich zu sein. Jedoch sollte grundlegend auf Ansprüche oder Bedürfnisse eingegangen werden, ob diese nun bekannt sind oder lediglich erahnt werden können. Grundsätzlich kann Personalisierung in drei Methoden unterteilt werden:
- Personalisierung nach Massenlogik
- Personalisierung durch Segmentierung
- 1:1 Personalisierung
Nicht immer sind alle drei Bereiche eindeutig voneinander zu trennen. In der Regel werden sie auch alle im E-Commerce gleichzeitig eingesetzt. Manche Onlinehändler sind allerdings unschlüssig, ob die direkte Ansprache, egal auf welcher Logik sie basiert, nicht eher abschreckend auf die Käufer wirkt. Wenn Sie zielgerichtet eingesetzt wird – nein!

Warum ist Personalisierung wichtig?
Ein Grund sollte durch die Statistik deutlich geworden sein. Ein weiterer liegt in dem Wachstum des E-Commerce selbst. 2014 umfassten die weltweiten E-Commerce-Umsätze insgesamt 1,3 Mrd. US-Dollar. Für das Jahr 2018 wird eine weitere Milliarde erwartet (Quelle). Das bedeutet gleichzeitig einen starken Konkurrenzanstieg. Als Online-Shopper erwartet einen im World Wide Web ein Schlaraffenland mit nahezu unbegrenzten Möglichkeiten. Doch gleichzeitig wirkt es auch überwältigend. Wo soll der Kunde nun das gesuchte Produkt kaufen? Der Online-Händler muss also aus der Masse herausstechen um den Kunden bei sich auf der Seite zu halten und zudem die Kundenbindung zu stärken. Denn wenn ein Kunde erst einmal bei ihm gekauft hat, ist die Wahrscheinlichkeit umso größer, dass er auch wieder dorthin zurückkehrt.
Die mächtige Auswahl führt automatisch dazu, dass die Einkaufszyklen immer länger werden. Der Kunde kauft nicht immer gleich beim ersten Besuch auf der Seite. Umso wichtiger ist es, die durch jeden Besuch gewonnenen Daten zu nutzen und dem Käufer beim nächsten Mal die für ihn relevanten Produkte anzuzeigen, so dass er letztendlich den Kauf auch bei Ihnen abschließt. Das sind im Durchschnitt nur 3 von 100 Besuchern, die den Shop betreten. Alle anderen gehen auf dem Weg von der Startseite oder Landing Page bis zum Kaufabschluss verloren. Daher sollte der Fokus nicht ausschließlich darauf liegen, den Traffic zu bekommen sondern ihn auch in zahlende Kunden zu konvertieren.

Damit einhergehend ist die User Experience für den Besucher auf der Seite. Langes Stöbern im Shop kostet Nerven und vor allem Zeit. Personalisierte Produktempfehlungen, die das vermeiden oder auch simple Faktoren wie die Voreinstellung der Sprachauswahl können hier den Unterschied machen. Nicht zu vernachlässigen ist die Optimierung von mobilen Seiten, die als Kanal immer wichtiger werden. Eine gute Navigation hier ist unumgänglich.
Ein weiterer essentieller Baustein ist die Emotionalität. Viele Kaufentscheidungen werden emotional getroffen und erst später rational begründet (Quelle: Rory Sutherland, Ogilvy). Auch Vertrauen spielt hier eine Rolle. Kunden kaufen Marken, die sie mögen und denen sie vertrauen. Onlinehändler sollten daher die persönliche Interaktion suchen, um so die Kundenbindung zu stärken. Denn, wie schon weiter oben beschrieben, bestehende Kunden werden auch am wahrscheinlichsten wieder kaufen.
Was sind konkret die Ziele von Personalisierung?
In der Regel stehen Onlinehändler vor ganz bestimmten Herausforderungen, die sie bewältigen müssen. Eine davon ist, wie bereits erwähnt, potentielle Kunden überhaupt erstmal in ihren Shop zu bekommen. Bezahlter Traffic ist hier von hohem Wert. Als idealer Kanal eignet sich Facebook als soziales Netzwerk mit über 2 Milliarden Mitgliedern weltweit. Doch das Retargeting mit Produktempfehlungen im Newsfeed der Nutzer sollte zielgerichtet, persönlich und damit relevant sein und dynamisch anstatt statisch gestaltet werden. Andernfalls würde schneller Geld verbrannt als gewonnen. Ein besonders gutes Beispiel bietet die US-amerikanische Fashion Brand Volcom, die mit personalisierten Facebook Ads bereits nach vier Wochen einen 22fachen ROI erzielen konnte (Nosto-Statistik).

Ein großes Problem der meisten Shopbetreiber ist die hohe Quote an Warenkorbabbrechern. Diese um wenige Prozentpunkte zu reduzieren, hätte bereits einen enormen Effekt. Nicht nur im Nachgang können zum Beispiel durch Retargeting- oder Email-Kampagnen Besucher zurückgeholt werden. Auch in der Abbruchsituation als solche ist dies noch möglich. So können zum Beispiel zwei verschiedene Formen von Layern ausgespielt werden, wenn der Kunde den Shop verlassen will. Er könnte einen einmaligen Rabatt angeboten bekommen, wenn er sich in dem Moment doch zu einem Kauf entscheidet. Das Verlassen der Seite mit Warenkorbinhalt kann aber auch “akzeptiert” und Hilfestellung geleistet werden, so dass der Kunde zu einem späteren Zeitpunkt den Kauf doch noch problemlos und einfach abschließen kann. Denn letztendlich wissen wir ja nicht, warum der Kunde in dem Moment nicht kauft. Das hat nicht immer zwangsläufig mit der Entscheidung dagegen zu tun. Vielmehr kann es auch sein, dass es einfach zu dem Zeitpunkt für den Kunden nicht möglich ist. Also tut der Shopbetreiber gut daran, ihm eine einfache Möglichkeit bereitzustellen, sich aktiv für einen späteren Einkauf zu entscheiden, in dem er sich selbst den Warenkorb an seine Email schickt.

Personalisierte Newsletter oder triggergesteuerte Emails stellen grundsätzlich ein sehr effektives Marketingtool dar, welches oftmals noch etwas stiefmütterlich behandelt wird. Allerdings lassen sich hier Konvertierungsraten von bis zu 10% feststellen (Nosto-Statistiken) und das ohne viel Aufwand. Zudem stärken personalisierte Emails noch einmal die Kundenbindung. Auch Rabattcodes in den Emails erhöhen zudem die Rückkehrrate und sind daher eine beliebte Maßnahme.
Wo geht die Reise hin?
Es sollte deutlich geworden sein, dass es unzählige Möglichkeiten der Personalisierung gibt und zumindest einzelne Teile davon von vielen Shops bereits genutzt werden. Doch es schlummert noch weitaus mehr Potential im Hintergrund. Die Technologie an sich ist schon sehr weit entwickelt in diesem Feld, doch genutzt werden die Möglichkeiten im vollen Umfang nur von sehr wenigen. Die partielle Personalisierung wird in den kommenden Monaten und Jahren von der umfassenden Personalisierung über alle Kanäle hinweg ersetzt und zur Normalität werden. Dies bedeutet personalisierte Inhalte für Kunden jederzeit und überall – ob stationär oder online, ob mobil oder Desktop. Alle Kanäle werden miteinander verknüpft und das Wissen transferiert. Ein einfaches Beispiel dafür ist das Browsen im Onlineshop und eine anschließende gezielte Beratung beim Besuch eines stationären Ladens des Unternehmens durch das Verkaufspersonal auf Basis des Verhaltens des Kunden im Onlineshop.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Personalisierung eines der wichtigsten Themen aktuell im E-Commerce darstellt. Shopbetreiber kommen kaum umhin, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, um nicht den Anschluss an die Konkurrenz zu verlieren. Bisher wird das gesamte Potential nur bedingt ausgeschöpft. Doch das bedeutet gleichzeitig, dass für Onlinehändler noch viele Möglichkeiten zur Optimierung ihres Shops hinsichtlich eines zukünftig personalisierten Einkaufserlebnisses bestehen – und das ist ja auch eine gute Nachricht.
Autor

Sabrina Janßen beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit dem Thema Personalisierung im E-Commerce. Sie arbeitet als Business Development Managerin beim international tätigen Personalisierungsexperten Nosto Solutions. Dort ist sie vorrangig für Kunden und Partner im deutschsprachigen Raum verantwortlich.
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sabrina.janssen(at)nosto.com