Online- und Local-Shopping auf dem Vormarsch

Onlinehandel, Stadtzentren, Shoppingcenter, Fachmarktzentren, Nahversorger – der Format- und Standortwettbewerb im Einzelhandel ist vielschichtiger als es die permanente Online-Offline-Diskussion vermuten lässt. Welche stationären Standorte für die Konsumenten je nach Wohnortgröße relevant sind und welche Rolle der Onlinehandel im Einkaufsstättenmix spielt, nimmt das Consumer Baromter von von IFH Köln und KPMG unter die Lupe. Über die Ergebnisse wird im Folgenden berichtet.
Die deutsche Einzelhandelslandschaft ist durch einen dynamischen Strukturwandel geprägt. Das durchschnittliche jährliche Umsatzwachstum der letzten zehn Jahre lag laut HDE (Handelsverband Deutschland) unter einem Prozent (2015: +1,5 Prozent).
Der Anteil des Onlinehandels am gesamten Einzelhandelsumsatz ist in dieser Zeit drastisch gestiegen und lag 2014 bereits bei über neun Prozent.
Auch künftig dürften diese Umsätze stark wachsen: Nach Prognosen des IFH Köln wird der E-Commerce- Anteil bis zum Jahr 2020 bei über 20 Prozent des Gesamthandelsumsatzes liegen. In Anbetracht eines nahezu stagnierenden Gesamtmarkts zieht die beschriebene Entwicklung einen deutlichen Verdrängungswettbewerb nach sich.
Der mit der Digitalisierung einhergehende Strukturwandel der deutschen Handelslandschaft ist vor allem durch Marktanteilsverschiebungen zwischen Online- und Offlinekanälen gekennzeichnet. Auswirkungen dieses Wettbewerbs zeigen sich auch auf Ebene alternativer Einzelhandelsstandorte und -formate.
Der Standortwettbewerb beschränkt sich damit nicht nur auf eine reine „online versus offline“-Diskussion, sondern entwickelt sich deutlich facettenreicher. Das Consumer Barometer nimmt dies in den Blick.
Ergebnisse im Überblick
- Der Onlinekanal hat einen festen Platz im Ein- kaufsstättenportfolio der Verbraucher gefunden – und zwar auch in Sortimentsbereichen, in denen heute (noch) keine hohen Umsatzanteile im Internet erzielt werden. Es ist also mit weiteren Verschiebungen zu rechnen.
- Außer bei Lebensmitteln und Getränken wird Onlineshopping in allen Ortsgrößenklassen intensiv betrieben – Tendenz steigend. Am höchsten ist dabei der Anteil in den Waren- gruppen Multimedia/Elektronik/Foto, gefolgt von Bekleidung/Mode sowie Sportartikel/ Hobby/Freizeit und Bücher/Zeitschriften/ Schreibwaren.
- In einigen Produktsegmenten wird (zunehmend online eingekauft, weil entsprechende Ange- botsdefizite am eigenen Wohnort oder in der Region bestehen. In kleineren und mittelgroßen Städten sind Warengruppen wie Sportartikel/ Hobby/Freizeit und Kosmetik/Drogerie/Gesund- heit online daher für die Verbraucher von höherer Relevanz als in Großstädten.
- Neben dem E-Commerce gewinnt die wohnort- nahe Versorgung (wieder) an Bedeutung – dies gilt insbesondere für Lebensmittel.
- In welcher Ausprägung Sortimente am eigenen Wohnort eingekauft werden, hängt vor allem von der Stadtgröße ab – je mehr Einwohner, desto größer die Vielfalt. Bewohner kleinerer Städte und Gemeinden kaufen primär Lebens- mittel und Getränke sowie Drogeriewaren am eigenen Wohnort. Großstädter befriedigen ihren Bedarf dagegen in fast allen Sortimentsbe- reichen (auch) in den Geschäften direkt vor Ort.
Relevanz alternativer Standorte und Standortformate
Der Onlinehandel ist Wettbewerber Nr. 1 – ob für Händler in der Großstadt oder in kleineren Orten. Dies gilt weitgehend unabhängig von den Sortimentsschwerpunkten. Die Bedeutung der lokalen Nahversorgung innerhalb des eigenen Wohnorts steigt, wenn auch in deutlich schwächerer Form als das Onlineshopping. Ob Bewohner einer Kleinstadt, mittelgroßen Stadt oder Großstadt – standortübergreifend kauft heute jeder Dritte häufiger im eigenen Wohnort als noch vor zwei bis drei Jahren. Einkaufstrips in Städte der näheren Umgebung verlieren an Attraktivität. Die Bewohner kleiner und mittelgroßer Orte sind jedoch auf den Einkauf in angrenzenden Städten angewiesen – insbesondere bei Sortimenten, die online (noch) keine umfassende Durchdringung erlangt haben. Shoppingcenter weisen für Verbraucher ortsklassenübergreifend eine hohe Relevanz auf – ob in der Innenstadt oder auf der grünen Wiese. Fachmarktzentren werden vor allem in den Warenbereichen Multimedia/Elektronik/Foto, Haushaltswaren/Deko und Sportartikel/Hobby/Freizeit ortsübergreifend aufgesucht. Dies gilt insbesondere für die Einwohner kleiner und mittelgroßer Städte. Factory Outlet Center (FOC) sind – bezogen auf alle Ortsklassen – vor allem beim Einkauf von Bekleidung/ Mode sowie Schuhen/Lederwaren Ziel der Verbraucher.
Fokus Warengruppen
Lebensmittel und Getränke:
Ortsgrößenklassenübergreifend decken die Befragten ihren Bedarf an Lebensmitteln und Getränken überwiegend im eigenen Wohnort. Für die Einwohner kleiner und mittelgroßer Städte sind in dieser Warengruppe zugleich die Einkaufsmöglichkeiten in der Umgebung relevant – sie kaufen Lebensmittel und Getränke auch in nahe gelegenen kleinen und mittelgroßen Städten ein. Die Relevanz des Onlineshoppings für den Einkauf von Lebensmitteln und Getränken ist (noch) sehr gering – in dieser Warengruppe dominiert der stationäre Handel stark.
Drogerie-, Kosmetik- und Gesundheitsartikel:
Der Anteil der Konsumenten, die ihren Bedarf an Drogerie-, Kosmetik- und Gesundheitsartikeln im eigenen Wohnort decken, steigt mit zunehmender Ortsgröße. Die Möglichkeit, diese Produkte auch in nahe gelegenen kleinen und mittelgroßen Städten kaufen zu können, nutzen vor allem Bewohner von Kleinstädten. Im Vergleich aller Ortsgrößenklassen erweisen sich nahe gelegene Großstädte als Einkaufsziel in diesem Segment als kaum relevant. Ortgrößenübergreifend ist auch das Onlineshopping in diesem Segment von Bedeutung. Jedoch sinkt die Bedeutung des Onlineshoppings in diesem Segment für die Befragten, je größer deren Wohnort ist.
Bekleidung und Mode:
Der Anteil der Verbraucher, die Bekleidung und Mode in ihrem Wohnort einkaufen, steigt mit zunehmender Ortsgröße. Mittelgroße Städte in der Nähe des eigenen Wohnorts sind als zusätzliches Einkaufsziel bei Bekleidung und Mode vor allem für die in kleinen und mittelgroßen Städten lebenden Konsumenten von Bedeutung. Kleinstädte in der Umgebung spielen dagegen in diesem Segment kaum eine Rolle. Bezogen auf die Ortsgrößen haben größere Städte in der Umgebung eine hohe Relevanz für den Modekauf – diese sinkt tendenziell, je größer der Wohnort der Befragten ist. Besonders häufig kaufen die Befragten Bekleidung und Mode online ein – unabhängig von der Wohnortgröße.

Autor
Dr. Markus Preißner
Dr. Markus Preißner ist wissenschaftlicher Leiter an der IFH Institut für Handelsforschung GmbH in Köln. Im Anschluss an sein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln und an der Dublin City University promovierte er 2005 zum Dr. rer. pol. Im Rahmen seiner Tätigkeit konzipiert und begleitet er Marktforschungs- und Strategieprojekte im Groß- und Einzelhandel.
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