Mehr Persönlichkeit, bitte! Wie Sie aus Ihrem Newsletter echtes E-Mail-Marketing machen

E-Mail-Marketing gehört zu den effektivsten Online-Marketing-Instrumenten. Allerdings verstehen viele Unternehmen darunter einen monatlichen Newsletter, der mit denselben Inhalten an alle Kunden verschickt wird. Lernen Sie, wie Sie sich von Massenmailings im Gießkannenprinzip verabschieden und Ihre Interessenten und Kunden per E-Mail individuell ansprechen – echte One-to-One-Kommunikation eben.
Stellen Sie sich einmal vor, Sie sind auf einer Party, auf der Sie niemanden kennen. Sie begeben sich mit einem Megaphon in die Menschenrunde und stellen sich lauthals vor. Wie glauben Sie, würden die Partygäste reagieren? Eines steht fest, ins Gespräch kommen Sie mit solch einem unsozialen Verhalten sicherlich nicht. Das Megaphon-Beispiel ist mit dem E-Mail-Marketing vergleichbar, dass viele Unternehmen heute noch betreiben – One-to-Many- statt One-to-One-Kommunikation. Jeden vierten Donnerstag im Monat wird ein Newsletter an die Kunden verschickt – einer an alle, bestenfalls wenige Varianten an viele. Das wird der E-Mail nicht gerecht, denn sie ist ein leistungsfähiges Marketinginstrument, das sich für verschiedene Ziele wie Abverkauf, Kundenbindung und Imagegewinn einsetzen lässt.
Im August 2014 feierte die E-Mail ihren 30. Geburtstag in Deutschland. Sie ist ein gelerntes Medium und hat noch nicht an Wirkung verloren. Eine 2014 von McKinsey veröffentlichte Studie bescheinigt der E-Mail eine 40-fach höhere Salespower als Facebook und Twitter zusammen. Aber nicht nur das: Die E-Mail hat gegenüber allen anderen Werbeformen einen entscheidenden Vorteil, nämlich die aktive Einwilligung des Empfängers in den Erhalt von Werbebotschaften (Permission oder Opt-in). Daraus erwächst gleichzeitig eine große Herausforderung, denn das E-Mail-Postfach ist ein noch intimerer Bereich als ein Facebook-Nachrichtenstream oder die Timeline bei Twitter. Bei „Spiderman“ heißt es: „Aus großer Kraft folgt große Verantwortung.“ Das gilt auch für Unternehmen und Onlineshops, die E-Mail-Marketing betreiben. Um die Erwartungen der Empfänger nicht zu enttäuschen, müssen die E-Mails relevant sein und einen Mehrwert bieten. Gießkannenmailings können das nicht leisten.
Das Spiderman-Zitat „Aus großer Kraft folgt große Verantwortung“ gilt auch für Unternehmen, die E-Mail-Marketing betreiben. Das wirkungsvolle Tool muss relevante Nachrichten für den Empfänger bieten und einen Mehrwert schaffen.
Von nichts kommt nichts oder aller Anfang ist schwer
Individuelle Kommunikation entsteht nicht mit dem Megaphon, sondern mit dem einzelnen Kunden im Zwiegespräch. Die sinnvolle Abfrage und Nutzung von Kundeninformationen ist Voraussetzung für individuelle E-Mails. Unternehmen können auf dieser Datenbasis automatisiert steuern, wer welche Informationen zu welchem Zeitpunkt bekommt. Zwei Fragen müssen sich Unternehmen stellen, wenn Sie echtes E-Mail-Marketing betreiben wollen.
1. Welche Daten sind für eine One-to-One-Kommunikation nötig?
Den meisten Unternehmen liegen ausreichende Daten vor, um Massenmailings zu vermeiden. Steuerungs- und Contentdaten geben die Inhalte und den idealen Versandzeitpunkt für echtes One-to-One-E-Mail-Marketing vor. Unter Steuerungsdaten fallen beispielsweise die Stammdaten des Kunden wie E-Mail-Adresse, Alter, Geschlecht, Transaktionsdaten aus der Bestellhistorie oder das Verhalten bei Websitebesuchen. Diese Daten liegen in verschiedenen Systemen wie CRM-, Business Intelligence-, Webanalyse-Tools und E-Mail-Versandsystemen. Die Contentdaten, die weitestgehend die Inhalte der Mailings bestimmen, befinden sich in Shopsystem, Recommendation Engines und Produktdatenbanken. Dazu zählen alle Informationen, die sich um das Produktportfolio ranken, wie Bilder, Preise, Beschreibungen, Verfügbarkeiten etc.
2. Wie lassen sich die Daten verknüpfen?
Diese Frage treibt im Moment sicher einen Großteil der werbungtreibenden Unternehmen um. Oft liegen die Daten in verschiedenen Systemen voneinander abgeschottet. Unternehmen stehen vor der Herausforderung die Informationen über ihre Kunden sinnvoll zu verknüpfen. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, damit die Daten „miteinander sprechen“. Bei der Vollintegration werden alle Datenquellen von der Unternehmens-IT an die unternehmenseigene Datenstruktur angebunden. Die Daten für die individuellen Mailings werden vom Unternehmen an das E-Mail-Versandsystem übertragen. Der Nachteil dabei sind der hohe Aufwand für die IT und die doppelte Datenpflege. Bei Onlineshops kommen noch weitere Probleme dazu. Durch die ständigen Datenabfragen zwischen Shopsystem und Versandtool kann es passieren, dass der Onlineshop langsamer wird oder sogar zusammenbricht. Oder es bleiben Inhalte in der E-Mail leer, weil sie nicht schnell genug nachgeladen werden können. Shopbetreiber behelfen sich damit, die Mailings nicht zeitgleich an alle Empfänger zu verschicken, sondern in Staffeln. Das könnte bei Abverkaufsmailings allerdings direkt auf den Umsatz schlagen. Neben der Vollintegration gibt es Lösungen, die wie ein Datahub funktionieren, also wie eine Verteilerdose, an die die verschiedenen Datenquellen angesteckt werden. Im Datahub werden die Steuerungs- und Contentdaten aus den verschiedenen Quellen gebündelt und zwischengespeichert, bis das ebenfalls angeschlossene E-Mail-Versandsystem einen Anlass bekommt, eine individuelle Mail an einen Empfänger zu verschicken (Abb. 1). Vorteil hierbei ist, dass IT-Ressourcen geschont und beliebig viele Mailings in Echtzeit verschickt werden können, ohne den Versand drosseln zu müssen.
Best Practices: One-to-One-Mailings von Epson
Drei Fallbeispiele des Herstellers Epson zeigen, wie E-Commerce-Unternehmen One-to-One-E-Mail-Marketing umsetzen können. Epson führt mit seinen Kunden einen stark personalisierten Onlinedialog. Dazu gehört auch eine automatisierte Produkt-Lifecycle-Kommunikation per E-Mail, die in fünf Ländern verschickt wird: im Vereinigten Königreich, in Deutschland, Spanien, Italien und Frankreich. Für die Kundenkommunikation werden verschiedenste Anlässe genutzt. Im Mittelpunkt steht dabei immer das Ziel, die Kunden zur intensiven Nutzung der Produkte anzuregen. Um Kundenbindung und Abverkauf zu fördern, setzt Epson in seinen Mailings auf Content-Marketing.
E-Mail-Marketing beginnt mit dem ersten Date
Beim ersten Kontakt mit dem Kunden ist es wichtig, seine Interessen kennenzulernen. Bei der Newsletter-Anmeldung sollte man den Kunden allerdings nicht mit zu vielen Pflichtangaben nerven. Beim ersten Date rasselt man schließlich auch keinen Fragenkatalog herunter. Sonst ist das Date sofort beendet. Bei der Newsletterregistrierung sollten Unternehmen nur wenige Angaben neben der E-Mail-Adresse abfragen und lieber eine Begrüßungstrecke per E-Mail folgen lassen, in der um weitere Informationen gebeten wird.
Bei der Anmeldung zum Epson-Newsletter für Privatkunden ist nur die E-Mail-Adresse notwendig. Alle anderen Angaben, wie Geburtsdatum, Produktbesitz oder Produktinteresse sind freiwillige Angaben. Demzufolge geben die meisten Neuanmelder auch nur ihre E-Mail-Adresse preis. Diese Information ist für Epson jedoch zunächst „wertlos“, da die geplante Kommunikation produktbezogen ist.
Epson arbeitet mit einer mehrstufigen, komplett automatisierten Nachqualifizierungskampagne, die die Newsletterabonnenten dazu animiert, ihre Einstellungen zu aktualisieren und ihr Produkt zu registrieren. Im Gegenzug wird ihnen als Dankeschön ein 5-Euro-Gutschein für den Epson-Store angeboten. Vom Mailing kommt der Empfänger auf eine Landingpage, wo er seine Produkte und Interessen angeben kann. Hat der Nutzer ein Produktinteresse oder ein gekauftes Produkt in seinem Profil angegeben, erhält er eine hochpersonalisierte Willkommensmail – mit Bild des registrierten Druckers, passender Tinte und Tipps. Da das Druckersortiment groß ist, können 60 verschiedene Varianten des Mailings verschickt werden. Mit der Willkommensmail startet die Produkt-Lifecycle-Kommunikation. In fünf Ländern erhalten die Nutzer 42 Mailings über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren. Insgesamt werden so 12.600 verschiedene Mailing-Varianten innerhalb dieses Lifecycles versendet. In den E-Mails werden Kundenbindung, Cross-Selling und Abverkauf gefördert. Mithilfe der Nachqualifizierungskampagne konnten schon zehn Prozent der Neuanmelder des Newsletters in die Produkt-Lifecycle-Kommunikation überführt werden.
Wichtig bei Kampagnen zur Datenanreicherung: Kommunizieren Sie, wofür Sie die abgefragten Daten nutzen werden und was der Mehrwert für den Kunden ist. Animieren Sie den Empfänger zur Aktualisierung seiner Daten mit einem Gutschein für den Einkauf in Ihrem Shop.
Mit dem Produkt per du
Hat der Kunde seinen Epson-Drucker registriert, startet die Produktkommunikation. 18 Tage nach der Registrierung erhält er per E-Mail eine Checkliste, mit der er die Funktionalitäten seines Geräts besser kennenlernen kann.
Mithilfe der Checkliste kann der Empfänger überprüfen, ob er die wichtigsten Eigenschaften bereits kennt bzw. schon installiert hat (siehe Abb. 2). Dazu gehören beispielsweise die richtige Einstellung des Druckkopfs oder die WLAN-Funktion. Außerdem wird auf die passenden Verbrauchsmaterialien wie Papier und Tinte hingewiesen. Jeder einzelne Punkt auf der Checkliste ist mit einem Link hinterlegt. Diese führen den Kunden auf spezielle Landeseiten, die passend zu dem von ihm registrierten Druckermodell sind. Die Personalisierung des Mailings schließt jedoch nicht nur die passenden Links ein. Auch der jeweilige Drucker und die dazu passende Tinte werden im Mailing mit Bildern angezeigt. Die Kommunikation kommt gut an. Die Öffnungsrate der Mail beträgt durchschnittlich 46 Prozent. Die Klickrate liegt bei 15 Prozent. Das ergibt eine Click-to-open-Rate von über 32 Prozent.
Info: Die Öffnungsrate zeigt, wie viele der versendeten oder zugestellten E-Mails geöffnet wurden. Sie kann brutto (Öffnungen geteilt durch Versandmenge mal 100) oder netto (Öffnungen geteilt durch Zustellmenge x 100) berechnet werden.
Info: Die Click-to-Open-Rate gibt an, wie viele der Empfänger, die die Mail geöffnet haben, tatsächlich geklickt haben (Anzahl der uniquen Klicks geteilt durch die Anzahl der uniquen Öffnungen mal 100).
Tipps für Produkt-Kennenlern-Kampagnen: Lassen Sie den Kunden unbedingt ein wenig Zeit, das gekaufte Produkt selbst zu erkunden, bevor Sie die Kampagne starten. Achten Sie auf passende Landeseiten bei den weiterführenden Informationen, damit die Hilfestellung für den Kunden nicht ins Leere führt.
Langweilige Geburtstage mag kein Mensch
Geburtstagspost von Unternehmen an ihre Kunden sind meist langweilige Rabattmailings. Bei der dreistufigen Geburtstagskampagne von Epson spielt der registrierte Drucker eine aktive Rolle.
Der Empfänger erhält vor, an und nach seinem Geburtstag jeweils eine nutzwertige Mail, in der er Tipps bekommt, wie er seinen Drucker für seinen Geburtstag nutzen kann.
Die erste Mail wird vierzehn Tage vor seinem Geburtstag versendet. In dieser Mail erhält der Empfänger Druckvorlagen für Einladungskarten und Do-it-yourself-Partydeko (siehe Abb. 3). Die nächste Mail erreicht den Kunden an seinem Geburtstag. Als Überraschung bekommt er einen Rabattgutschein von zehn Prozent für den nächsten Einkauf im Epson Onlinestore. Drei Tage nach seinem Ehrentag verschickt Epson passende Fotorahmenvorlagen für die Geburtstagsbilder zum Ausdrucken. Durch diese Mails hebt sich Epson besonders vom Wettbewerb ab. Vor und nach dem Geburtstag des Kunden versenden die wenigsten Unternehmen Mailings, die auf eine Geburtstagskampagne aufsetzen. Die dreistufige Kampagne kommt auf eine durchschnittliche Öffnungsrate von 30 Prozent und eine Klickrate von 4 Prozent.
Tipps für Geburtstagskampagnen: Setzen Sie statt schnöder Rabattmail direkt am Geburtstag des Kunden auf eine echte Kampagne mit Storytelling und Content. Verbinden Sie Ihre Produkte mit dem Geburtstag des Empfängers und schaffen Sie Mehrwerte.
Kundenorientierung zahlt sich immer aus
Anhand dieser Beispiele wird deutlich, dass E-Mail-Marketing viel mehr ist als ein monatlicher Newsletter per Gießkannenprinzip und auch viel mehr leisten kann – für das Unternehmen und den Empfänger. One-to-One-Kommunikation ist Kundenorientierung pur, und die zahlt sich immer aus. Die Herausforderungen liegen in der Verknüpfung von Daten, in denen das Wissen über die Kunden verborgen ist, dem richtigen Einsatz cleverer Automatisierungstechnologien und der richtigen Content-Strategie.
Doch trotz aller Überlegungen zu Daten, Technologie und Content beginnt One-to-One-E-Mail-Marketing zunächst mit einem kleinen Schritt. Und dieser ist keine minder große Herausforderung. Holen Sie Ihre Kollegen und Vorgesetzten mit ins Boot und machen Sie ihnen klar, wie wichtig das Thema für die Zukunft ihres Unternehmens ist. Vielleicht nehmen Sie zum nächsten Meeting einfach mal ein Megaphon mit.
Autor

Nikolaus von Graeve ist Gründer und Geschäfts- führer der Agentur rabbit eMarketing aus Frankfurt am Main und Experte für One-to-One-Multichannel- Kommunikation. Er befähigt Unternehmen, ihre Zielgruppen auf allen Kommunikationskanälen und Endgeräten zum richtigen Zeitpunkt mit der richtigen Werbebotschaft anzusprechen. Voraussetzung dafür ist, Content, Daten und Technologie in Einklang zu bringen.
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