Kundendatenmanagement – Tante Emma Reloaded

Mit ihrem Lädchen um die Ecke, das alle wichtigen Dinge für den Alltag bereithielt, wusste Tante Emma genau, was ihre Kunden besonders mögen. Aus dem Stand griff sie nach Alternativen oder passenden zusätzlichen Produkten, die ihre Kunden gerne dazu kauften. Sie wusste sogar, wo ihre Kunden wohnen, wer zur Familie gehört und wer wann auf der Suche nach einem Geschenk war.
Von diesem Kundenservice können Kunden häufig nur träumen. Sie führen selten persönliche Beziehungen zu einem Verkäufer, geschweige denn zu einem Unternehmen. Heute sind Kunden in den meisten Fällen aber so gut informiert wie noch nie. Sie besitzen Smartphones, kaufen und informieren sich über alle Kanäle. Was auf den ersten Blick nach Schwierigkeiten für Unternehmen aussieht, können sie jedoch gewinnbringend für sich nutzen. Denn mithilfe der Daten, die Kunden über die vielen Kanäle hinterlassen, können Unternehmen mit hoher Wahrscheinlichkeit Vorhersagen über diese treffen. Unternehmen können Daten dann erfolgreich für sich nutzen, wenn sie ihre Geschäftsprozesse den mit den Daten möglichen Prognosen anpassen. Onlinehändler etwa nutzten Daten bereits erfolgreich, um mit hoher Wahrscheinlichkeit vorherzusagen, wie oft eine bestimmte Ware in den nächsten Wochen gekauft wird. Passen sie ihren Einkauf dieser Prognose an, können sie Restbestände reduzieren. Bei einem Handyprofil genügen zum Beispiel drei Monate, um mit 93-prozentiger Wahrscheinlichkeit den Standort des Benutzers zu einem bestimmten Zeitpunkt vorherzusagen.
Der Einfluss von produktunabhängigen Faktoren
Nutzen Unternehmen diese Möglichkeiten nicht, bleiben sie im zunehmend schnelllebigen Marktumfeld hinter der Konkurrenz zurück. Denn die gezielte Kundenansprache und -bindung sind zentrale Erfolgsfaktoren. Besonders in nachfragegetriebenen Märkten mit austauschbaren Produkten, etwa Telekommunikation, Finanzdienstleistungen, FMCG (Fast Moving Consumer Goods), Food, Versorger, werden aus Kundensicht vom Produkt unabhängige Faktoren, wie die Qualität der Ansprache durch das Marketing oder Kompetenz und Schnelligkeit des Kundendienstes, zu Unterscheidungsfaktoren. Die Produktkonkurrenz ist größer geworden und damit auch der Preiskampf. Oft bietet nur ein gesteigerter Servicelevel die Möglichkeit, sich vom Wettbewerb abzuheben. Das Angebot der Konkurrenz ist für die Kunden nur einen Klick entfernt. Umso wichtiger wird es für die Anbieter, Kunden zu halten. Bildhaft gesprochen geht es um die Rückbesinnung auf Tante Emma, die das Prinzip „Know Your Customer“ lebte. Denn Kundenloyalität ist kein romantisches und deswegen überholtes Konzept aus vergangenen Tagen, sondern ein betriebswirtschaftlicher Faktor. Und um diesen für das Unternehmen gewinnbringend einsetzen zu können, kommen sie heute nicht mehr an der 360-Grad-Kundensicht vorbei.
Datensilos, schlechte Datenqualität und hohe Mailingkosten
Doch das Problem dabei: Dieses Wissen über den Kunden, das in den jeweiligen IT-Systemen liegt, ist nicht miteinander verknüpft und liegt oft über Abteilungen und Standorte verteilt. Silos sind daher an der Tagesordnung und die Mitarbeiter müssen sich mühsam alle Informationen zusammensuchen. Fehlt eine einheitliche Plattform für Kundenstammdaten, sind Probleme vorprogrammiert. So führt eine heterogene Datenbasis mit veralteten und fehlerhaften Adressdaten und unterschiedlichen Formaten beispielsweise dazu, dass aufwändig konzipierte Marketingkampagnen verpuffen und Mailingkosten unnötig in die Höhe schießen. Die Rentabilität des Marketingbudgets ist dadurch in Gefahr und zeitkritische Marketingaktionen sind von vornherein zum Scheitern verurteilt. Fehlende Segmentierungsmerkmale erschweren die Auswahl der Zielgruppe. Kunden und Interessenten im richtigen Augenblick mit dem passenden Angebot anzusprechen, ist dann eher ein Zufallstreffer.
Starting from the Ground: Von Datensilos zu Tante Emma 2.0
Wenn Unternehmen Kundendaten zu pflegen und zu nutzen wissen, können sie die Kundenbindung stärken und Cross- und Upselling-Potenziale in Einnahmen umwandeln. Der strategische Schritt liegt darin, die Customer Journey zu studieren, um sie entsprechend begleiten zu können. Die Basis dafür bilden vollständige und aktuelle Daten, die eine 360-Grad-Sicht auf den Kunden ermöglichen.
Wie aber startet man am besten damit, sein Kundendatenmanagement im Sinne eines umfassenden Master Data Managements (MDM) auf Vordermann zu bringen? Auf dem Weg zu Tante Emma 2.0 muss kein Unternehmen alles auf den Kopf stellen – es genügt, in kleinen Schritten, Abteilung für Abteilung, vorzugehen. Dies vermeidet kostspielige Alles-oder-nichts-Projekte mit entsprechend hohem Risiko. Gleichzeitig kann die Master-Data-Management (MDM)-Lösung schnell und einfach durch Verknüpfungen um viele Systeme erweitert werden.
1. Strategie
Die entscheidende Frage ist: Warum und wofür das Ganze? Sie muss der Ausgangspunkt für jede Nutzung von Daten sein. Jedes Unternehmen, aber auch die jeweilige Abteilung, benötigt eine Strategie zur Nutzung der Daten beziehungsweise einen klaren Business Case.
Dieser sollte folgende Fragen beantworten können:
- Was will ich mit den Daten erreichen?
- In welchem Zeitraum?
- Was benötige ich dafür?
- Wie nutze ich in diesem Kontext die Daten, um mein Ziel zu erreichen?
- Welche Daten habe ich bereits, welche benötige ich?
- Wie müssen die Daten beschaffen sein?
2. Data Governance
Bevor es ans Eingemachte geht, sollte der organisatorische Rahmen stehen. Data Governance definiert unternehmensweit Verantwortlichkeiten, Prozesse und Richtlinien für den Umgang und die Pflege von Kundendaten und orientiert sich dabei an den strategischen und operativen Zielen des Unternehmens.
Zur Gestaltung von Data Governance gehören:
- Aufgaben und Rollen im Stammdatenmanagement identifizieren,
- Entscheidungsrechte, Weisungsbefugnisse und Verantwortung zuordnen (Data Owner, Data Steward),
- Stakeholder identifizieren und koordinieren,
- Berichtslinien und Konfliktlösungsmechanismen festlegen
- Sowie Richtlinien für Datennutzung und -pflege definieren und durchsetzen.
Die operative Verantwortung für die Data Governance liegt heute meist bei den Fachabteilungen, dort wo die Daten entstehen und operativ genutzt werden. Fehlt eine zentrale Instanz, sind redundante Tätigkeiten und das Optimierungspotenzial auf die gesamte Organisation gesehen entsprechend hoch. Das gilt insbesondere für Kundendaten.
3. Voraussetzungen für eine zentrale Datenvorhaltung schaffen
Eine technische Lösung sollte Kundendaten aus unterschiedlichen Quellen zentral zusammenführen und dafür sorgen, dass sie dort einheitlich, vollständig und aktuell vorliegen. Eine Integration von Daten sollte in Echtzeit möglich sein.
Das übergeordnete Ziel ist der „Golden Record“, bildlich gesprochen die „Mutter aller Datensätze“. Das heißt, der eine korrekte Datensatz für jeden Kunden muss unternehmensweit zugänglich gemacht werden und nicht nur in den Ziel- sondern auch und vor allem in den Quellsystemen zur Verfügung stehen. Dieser Datensatz sollte außerdem durch weitere relevante Informationen angereichert werden können.
Fazit
Mit geeigneten MDM-Lösungen bleibt zudem der Projektaufwand überschaubar und Kunden von entsprechenden Dienstleistern erzielen unter dem Einsatz von geringen Kosten und personellen Ressourcen schnell innerhalb von drei bis sechs Monaten einen nachweisbaren ROI.
Wenn Kunden heute von einem Service vergleichbar mit dem von Tante Emma nur träumen, ist gewiss: Unternehmen können diesen Zustand ändern. Mit richtigen und hochwertigen Daten haben sie in Zeiten der Digitalisierung bereits einen großen Schritt vorwärts getan. Gehen sie das Thema Kundendatenmanagement strategisch an, setzen entsprechende Rollen und Prozesse auf und beseitigen Datensilos, dann steht einem Service im Sinne von Tante Emma 2.0 nichts mehr im Weg.

Autor
Holger Stelz ist Director Marketing & Business Development bei Uniserv. Der Experte für Datenmanagement leitet die Weiterentwicklung des Geschäftsfeldes Kundendatenmanagement und verantwortet das weltweite Marketing von Uniserv.