Die Kunst des Geotargetings – mobile Zielgruppen intelligent und nutzerfreundlich ansprechen

Location-based Services haben rasant zugenommen. Allein in Deutschland wurden im vorigen Jahr 927 Anbieter im Rahmen einer Studie von Goldmedia erfasst. Das entspricht einem Wachstum von 415 Prozent im Vergleich zu 2013. Dieser Trend beeinflusst seit einiger Zeit auch das Mobile Marketing.
Im Zusammenhang mit Positions- oder Bewegungsdaten ist die Privatsphäre des Nutzers eine delikate Angelegenheit. Alle modernen Smartphones bieten zur Sicherung der Privatsphäre des Nutzers eine gesonderte Abfrage, ob die Position mit der aktuell genutzten App oder Mobilen Webseite zu teilen ist. Diese Abfrage ist richtig und wichtig, denn in erster Linie müssen wir eine ordentliche und respektvolle Nutzung der gewonnenen Daten gewährleisten. Beim Thema Akzeptanz zur Erhebung solcher Daten stoßen wir jedoch oft auf eine allzu menschliche Reaktion. Schnell wird eine App zu einem böswilligen Datensammler degradiert, wenn kein erkennbarer Nutzen aus einer Ortung gezogen werden kann. Es sei denn, es handelt sich um Navigations- oder Blitzer-Apps. Ist der Nutzer also nicht gewillt, seine Position zu teilen, ist eine genaue Zielgruppenansprache innerhalb der Geo-locating Kampagne nur eingeschränkt möglich.
Stehen diese Daten jedoch zur Verfügung, kommt es darauf an, sie richtig zu analysieren und gewonnene Erkenntnisse sinnvoll zu nutzen. Zunächst muss man beim Geo-Targeting in Bezug auf die Genauigkeit des Ortes differenzieren. Beim allgemeinen Targeting auf Positionsdaten ist die Ausrichtung auf ein Land bzw. Bundesland oder eine Stadt. Granularer wird es beim Geo-Fencing, wo ein Bereich „eingezäunt“ wird sowie beim Hyper-local Targeting, wo Nutzer innerhalb eines Häuserblocks angesprochen werden.
Mit der gewonnen Geo-Position eines Nutzers kann man beispielsweise in relevanten Gebieten rund um die eigenen Filialen oder in Gebieten der Konkurrenz (sogenanntes „Competetive Geo-Fencing“) werben. Es wird ein virtueller Zaun ("Fence") um einen bestimmten POI gezogen, wie z. B. Berlin Alexanderplatz, Düsseldorfer Kö oder Einkaufszentren. Alle Nutzer, die sich im Kampagnenzeitraum innerhalb dieses virtuellen Zaunes befinden, werden mit mobiler Werbung in ihrer aktuell genutzten App oder auf der Mobile Site angesprochen. Prominente Beispiele sind natürlich oft im Couponing Bereich zu finden: eine namhafte Coffee-Shop Kette zieht Fences rund um ihre Filialen und erreicht so potentielle Kunden mit Rabattaktionen auf ausgewählte Heißgetränke. Bei der Betrachtung dieser Targeting-Art lässt sich eine gewisse Analogie zur "klassischen" Außenwerbung herstellen. Im digitalen Kontext hat dies die bekannten Vorteile einer extrem kurzen Reaktionszeit, z. B. in Bezug auf Kampagnenschaltung und Platzierung, Messung, Optimierung sowie Versorgung mit detaillierten Produktinformationen.
Reichweite und Streuverluste
Es bilden sich zwei klassische Herausforderungen: Streuverlust und mangelnde Reichweite. Denn nicht jeder Besucher des Alexanderplatzes in Berlin ist beispielsweise ein anzusprechender Tourist und nicht alle Menschen am Alexanderplatz haben in diesem Moment eine App mit Ortungsdiensten und eingebautem Ad Placements geöffnet. Der Streuverlust kann durch eine genauere Targeting-Kombination zumindest teilweise eliminiert werden, z. B. in Verbindung mit sozio-demographischen Merkmalen. Aber auch dies führt zu einem noch größeren Mangel an Reichweite. Erhöht man wiederum die Reichweite (z. B. durch einen größeren Aktionsradius oder ein weniger genaues Targeting), erhöht sich damit auch der Streuverlust.
In Apples neuestem Betriebssystem iOS 8 könnte das Geo-Fencing auf eine andere Weise verwendet werden: basierend auf der aktuellen Position, werden direkt im Sperrbildschirm passende Apps vorgeschlagen. Auch hier das Beispiel der namhaften Coffee-Shop Kette oder einer App der öffentlichen Verkehrsmittel. Dies passiert dann unabhängig davon, ob die App bereits installiert ist (dann wird sie direkt geöffnet) oder nicht (weiterführender Link zur Installation). Das Betriebssystem hat i.d.R. grundsätzlich die Möglichkeit, auf die Geo-Koordinaten des Nutzers zuzugreifen – somit wäre zumindest die Erhebung dieser Daten weniger problematisch.
Intelligente Audience Segmentierung
Eine weitere interessante Möglichkeit zur Nutzung von Location-based Advertising bietet sich im Bereich der Audience Segmentierung an. Durch das Anlegen von anonymen Nutzerprofilen, z. B. auf Basis von Advertising IDs, können relativ gute Annahmen zu Interessen eines Nutzers getroffen werden; beispielsweise bei häufigen Besuchen in Stadien zu Zeiten von Bundesligaspielen. Im Gegensatz zum Geo-Fencing können diese Daten dann im Nachgang auch ohne aktuelle Geo-Koordinaten genutzt werden und somit eine Ansprache auch dann stattfinden, wenn der Nutzer sich nicht mehr im Stadion befindet und auch keine App nutzt, die die genaue GPS Position übermittelt. In Kombination mit anderen Verhaltensmustern lassen sich nun Zusammenhänge erkennen und auch gewisse Rückschlüsse zu Interessen sowie wahrscheinlichen Kaufabsichten ziehen. Mischt man diese Beobachtungen nun mit den bisher bekannten sozio-demographischen und kontextuellen Merkmalen, lässt sich ein intelligentes Targeting gestalten, das den Streuverlust massiv minimieren kann ohne die notwendige Reichweite zu kompromittieren. Location-based Advertising ist eine Kunst, die beherrscht werden muss. Für die technologischen Dienstleister muss ein respektvoller Umgang mit den Positionsdaten von Nutzern erfolgen. Für die Mediaplaner reicht einfaches Geo-Fencing allein nicht mehr aus, um alle Vorteile dieser Technologie zu nutzen. Erst die clevere Kombination aus verschiedenen Datenprofilen und gewonnener Erkenntnisse aus Positionsdaten ermöglicht eine zielgerechte Ansprache mit hohem ROI.
Technologisch sind heute folgende Geo-Targeting Methoden im Einsatz:
IP-Adresse
Mit Hilfe von offenen oder kommerziellen Datenbanken kann eine IP-Adresse oder ein IP-Bereich in Positionsdaten umgewandelt werden. Diese Methode ist de facto immer verfügbar und kann vom Nutzer nicht ausgeschaltet werden. Je nach Datenbank, Land/Region und Aktualität der Daten, kann durch die IP eine Genauigkeit von einem PLZ-Bereich erreicht werden oder auch nur ein Bundesland/Land. Diese Methodik kommt bei Weitem nicht an die Genauigkeit der im Folgenden beschriebenen Systeme heran, zeichnet sich jedoch durch die ständige Verfügbarkeit aus.
WiFi / WiMAX Positioning System (WiPS)
Mit Hilfe von offenen oder kommerziellen Datenbanken können sich in der Nähe befindliche WLAN-Netze genutzt werden, um eine Position zu bestimmen. Je mehr WLAN-Netze in Reichweite sind, insbesondere in urbanen Gebieten, desto genauer wird die Ortung. Sie erreicht mitunter sehr präzise Werte unter Einbeziehung von mathematischen Methodiken, z. B. des klassischen Verfahrens der Triangulation zur Landesvermessung. Je nach verwendeter Datenbank und proprietärer Technologie kann auch eine Ortung in geschlossenen Gebäuden möglich sein, z. B. mit dem sogenannten IPS, welches auch in Leitsystemen verwendet wird. Befinden sich keine bzw. nicht erfasste WLAN-Netze in der näheren Umgebung oder ist das WLAN Modul im Smartphone deaktiviert, ist keine Ortung möglich.
GSM-Basisstationen
Eine sogenannte Basissendeempfängerstation (engl. Base Transceiver Station, kurz BTS) ist ein Element des GSM-Mobilfunknetzes. Mit Hilfe von Datenbanken kann aus Informationen wie MobileCountryCode, MobileNetworkCode, LocationAreaCode und Cell-ID über die sich in der Nähe befindlichen GSM-Basisstationen die Position des Smartphones ermittelt werden. Je mehr Basisstationen in der Nähe sind, desto genauer die Position. Ist nur eine Basisstation erreichbar, so ist die Genauigkeit der Ortung auf den Senderadius der Basisstation zu ermitteln. In urbanen Gebieten mit einer höheren Dichte von BTS ist unter Zuhilfenahme von Triangulation von einer genaueren Positionserfassung auszugehen.
GPS (Global Positioning System)
GPS-Koordinaten liefern in den meisten Fällen die genauesten Angaben, benötigen aber bis zu 12,5 Minuten aus einem sogenannten Kaltstart heraus, um akkurat dargestellt zu werden. Hier kann eine Genauigkeit von wenigen Metern erzielt werden, abhängig von der Verfügbarkeit der von Satelliten ausgehenden Zeit- und Positionssignalen. Ist das Smartphone nicht mit einem GPS-Modul ausgestattet, der GPS Empfang ausgeschaltet oder auf Nutzerwunsch die Ortung mittels GPS untersagt, ist diese Methode nicht zur Ortung geeignet.
Assisted GPS
Diese Methode kombiniert die genaue GPS Ortung mit einer "ungenaueren" Ortung durch GSM-Basisstationen oder WiPS. Somit wird die sogenannte Time-to-first-fix, also die Zeit, die der GPS Empfänger nach dem Einschalten zur Positionsbestimmung braucht, auf wenige Sekunden deutlich reduziert und anschließend unter Zuhilfenahme von GPS Koordinaten präzisiert. Die Genauigkeit der Ortung wird also Sekunde für Sekunde verbessert, bis sie die Genauigkeit von GPS erreicht.
Nutzer-basierte Eingabe
Nicht zu vergessen sind die Eingaben, die ein (registrierter) Nutzer zu seiner Heimatadresse oder seinem aktuellen Ort selbst eingibt. Ausgehend von einer korrekten Eingabe bietet diese Ortung eine Genauigkeit bis zur Straße und Hausnummer. Diese Information ist jedoch für eine Live-Ortung selten nutzbar. Die Frage ist, ob sich der Nutzer wirklich gerade zu Hause befindet etc.
Fazit
Geo-location Targeting eignet sich sehr gut für örtlich relevante Kampagnen und es gibt zuverlässige technische Methoden für die Gewinnung von Positionsdaten, die man als Basis dafür verwenden kann. Die Nutzung von Audience Segmenten, die aus Erkenntnissen von Location-Daten gewonnen wird, ist mit Sicherheit ein Effizienzgewinn für jede Kampagne. Richtig angewendet ist hier eine deutliche Verbesserung zielgruppengerechter Ansprache möglich. De facto nutzt bereits jeder Advertiser sozio-demographische Daten. Hier ist noch eine deutliche Effizienzsteigerung möglich, wenn diese Daten mit Geo-location Informationen kombiniert werden. Voraussetzung ist immer die Daten nutzerfreundlich und datenschutzkonform zu verwenden.
Info: Laut Goldmedia werden Location Based Services vor allem im Tourismusbereich schon benutzt. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/310091/umfrage/marktanteil-von-location-based-services-in-deutschland/
Autor

Evgenij Tovba leitet in der Position des Director of Technology bei YOC die Bereiche Technologie- und Produktentwicklung sowie IT-Operations auf nationaler und internationaler Ebene. Seine Schwerpunkte sind die Umsetzung innovativer Produktlösungen für Advertiser und Publisher sowie die Entwicklung bzw. Weiterentwicklung der YOC internen Tag- und SDK-Infrastruktur.